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“Der Journalist des Handelsblatts schreibt viel Falsches”

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Die Deutschen sind doch nur neidisch auf einen erfolgreichen Schweizer, meint Bruno Frey. (Bild via Wikipedia)

Das hat Bruno Frey in einem Interview der Schweizer Gratiszeitung “20 Minuten” (“Ich habe mich zu wenig selbst zitiert”) gesagt.

(Vielen Dank an Marco Hafner alias “RBK_31″, der mich über Twitter auf das Interview hingewiesen hat!).

Die Kollegen von 20 Minuten haben Frey unter anderem gefragt, ob er die Aufregung übertrieben finde. Seine Antwort:

“Ja. Der Journalist des deutschen Handelsblatts, der gestern breit darüber berichtete, schreibt viel Falsches. Und er bauscht mich zum Star-Ökonomen auf, damit er die nötige Fallhöhe für einen reisserischen Artikel hinkriegt.”

Mir sind keine Fehler bekannt, und Bruno Frey hat sich diesbezüglich auch noch nicht gemeldet. Daher rufe ich alle Leser zum Fact Checking meiner Artikel auf – wer einen Faktenfehler im Zusammenhang mit Bruno Freys Titanic-Texten findet, darf mit mir “auf Schalke”.

Ich habe es in meinem englischen Blog, in dem zwei Leser meine Absichten in Frage stellten und mir vorwarfen, ich wälze die Sache zu sehr aus, bereits geschrieben (10. Kommentar): Mein Anspruch ist es, allen Beteiligten die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Ich mache alle relevanten Informationen, über die ich verfüge und die meine Quellen nicht als vertraulich gekennzeichnet haben, öffentlich.

Sollte ich falsche Dinge geschrieben haben – ich bin mir dessen nicht bewusst – sind Bruno Frey, Benno Torgler und alle Leser hier eingeladen, mich darauf hinzuweisen. Hier meine beiden Texte aus der Printausgabe, und hier meine deutschen und englischen Blogposts dazu – ich wünsche euch allen viel Spaß beim Fact-Checking.

Wer einen Faktenfehler mit Blick auf Frey’s Titanic-Publikationen findet, wird von mir in meine Geburtsstadt Gelsenkirchen eingeladen,  zu einem Heimspiel des FC Schalke 04. Ich zahle das Ticket, das Bier und die Currywurst (um die Anreise müsst ihr euch selbst kümmern).

Bislang hat sich in der Frey-Affäre niemand gemeldet, um einen Fehler in meiner Berichterstattung zu monieren. Nicht Bruno Frey, nicht Benno Torgler und auch sonst niemand.

Was die Bezeichnung als Starökonom betrifft: Frey liegt im Handelblatt-Volkswirte-Ranking mit seinem Lebenswerk mit einigem Abstand auf Platz eins, ist laut Repec der deutschsprachige Volkswirt, dessen Arbeiten am häufigsten im Internet heruntergeladen werden und liegt dabei weltweit auf Platz 38. Außerdem wurde er mit Wissenschaftspreisen aller Form und Güte überhäuft.

Wenn Frey im deutschen Sprachraum kein Starökonom ist, wer ist es dann? (Ja, klar, Herr Sinn, mal abgesehen von Ihnen natürlich!)

Bemerkenswert ist an dem 20-Minuten-Interview zudem, was Frey zum nicht zitierten Titanic-Aufsatz von 1986 sagt:

“Dort ging es um eine völlig andere Fragestellung. Warum überlebten mehr Passagiere aus der ersten Klasse als aus der dritten? Weil Vermögenden damals eher geholfen wurde als Armen, lautete die Antwort. Wir hingegen wollten wissen, warum mehr Briten als Amerikaner ertranken.”

Trotzdem hätten Sie die ältere Studie zitieren sollen.
“Das war alles andere als zwingend.”

Nicht nur ich sehe das anders – auch der MIT-Professor und “Journal of Economic Perspectives”-Herausgeber David Autor. Er schrieb mir mit Blick auf den Hall-Aufsatz von 1986:

“The Hall paper that you cited (and which I downloaded and read yesterday) comes as unhappy news to my coeditors and me. We were not aware of that article or its overlap with Frey et al. My reading is that there is considerable overlap between Frey et al. and this 1986 paper. (…)  Frey et al. should have known about this article. It is their responsibility as scholars to fully research the literature in their field of study, and to acknowledge prior contributions accurately and fairly.”

Wirklich peinlich wird Freys Interview ganz am Schluss.

“Ich frage mich, ob bei Deutschen Neid eine Rolle spielt. Dass ein Schweizer wie ich oft die Beststeller-Listen anführt, mag einigen im Nachbarstaat nicht in den Kram passen.”

Lieber Bruno Frey, die nationalistische Karte zu ziehen, das ist wirklich nicht ihr Ernst, oder?

Glauben Sie ernsthaft, mich oder einen anderen Handelsblatt-Kollegen würde interessieren, was für einen Pass Sie in der Tasche haben?

Hans-Werner Sinn musste sich trotz seiner westfälischen Herkunft schwere Kritik von mir gefallen lassen (hier noch mehr), und mein Kollege Norbert Häring hat US-Starökonomen Steven Levitt zu Recht attakiert, als dieser Schmuh betrieben hat.

Umgekehrt weiß nicht, wie oft ich im Handelsblatt ein Loblied auf die Volkswirte der Universität Zürich  (zum Beispiel hier, hier (peinlicherweise hatte ich damals bei der Blümlisalpstraße ein s unterschlagen) sowie die dort forschenden Professoren Frey (hier) und Fehr (hier, hier und hier) gesungen habe.

Um es ganz deutlich zu sagen: I don’t have a dog in this fight. Ich habe bislang Bruno Frey persönlich und als Wissenschaftler sehr geschätzt; und ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Volkswirtschaftslehre ihm sehr viel zu verdanken hat – vor allem mit Blick auf die Überwindung der Engstirnigkeit, unter der der neoklassische Mainstream meines Erachtens leidet. Seine Verdienste können aber kein Argument sein, sein Fehlverhalten zu vertuschen.

Die Verzweifelung muss wirklich groß sein, wenn sich Bruno Frey mit solch lächerlichen Argumenten zu verteidigen versucht  - und sich damit erst vollends um Kopf und Kragen redet.

Update (Samstag, 9. Juli, 11.30 Uhr) : Interessant ist auch, dass Frey in dem Interview zwischen den Zeilen seinen Koautoren die Schuld für die fehlenden Zitate auf die anderen Titanic-Paper des Forscherteams gibt. Auf die Frage, welche Lehren er aus dem Fall ziehe, sagt er “20 Minuten”:

“Ich muss den Publikationsprozess enger begleiten.”

Im englischsprachigen Internetforum “Economic Job Market Rumors” kommentiert das jemand so:

That sounds like he is throwing his co-auhtors under the bus…

Mich würde mal sehr interessieren, was sich Benno Torger und David Savage denken, wenn sie das lesen…

Im übrigens habe ich heute morgen  folgende Email an Frey und cc an Torgler und Savage geschickt:

Dear Professor Frey,

With great interest I read your interview in “20 Minuten”
(http://www.20min.ch/finance/news/story/23158193)

You make the claim that I wrote “a lot of wrong things” in my article
for printed Handelsblatt (the article is available online, here:
http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/staroekonom-schreibt-bei-sich-selbst-ab/4367878.html)

I’m not aware of any factual errors in my articles about your work.
However, if there are any, I’m happy to correct them instantly. Hence,
I’d be grateful if you were able to elaborate what precisely is wrong
in my articles.

I’d also ask you to have a look at my English translation of your
interview that I published on my blog.
http://olafstorbeck.com/2011/07/09/bruno-frey-fights-back/

Please let me know if there are any issues with my translation of your
words. I’m happy to  improve the translation.

Many thanks and best regards
Olaf Storbeck

Besuchen Sie mein englisches Weblog “Economics Intelligence”.


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